Können wir frei entscheiden?

Sabina Haas

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24.10.2021

Glaubst du an den freien Willen? Wenn ja, wovon hängt er ab? Wie treffen wir Entscheidungen und wovon werden sie beeinflusst?

Wir – Doris Maybach, Heidi Hauer und Sabina Haas starten unseren heutigen Espresso-Talk #23 mit einem Zitat von dem wunderbaren Viktor Frankl, der im Zusammenhang mit seiner eigenen Höhenangst entschieden hatte: „Ich muss mir von mir selbst nicht alles gefallen lassen!“

Er steht ja mit seinem ganzen Leben autobiografisch für diese Möglichkeit – den freien Willen – selbst zu entscheiden, welche Haltung man zu einer Situation oder einem Erlebnis einnimmt. Persönlich und privat hat er den Verlust seiner Familie und den Holocaust als psychisch gesunder Mensch überlebt. Und diese Selbsterfahrung hat auch wesentlich auf seine gesamte Arbeit als Arzt, Psychiater, Neurologe, Psychologe und Psychotherapeut gewirkt.

Alles eine Frage der Haltung.

„Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellung zu den Dingen.“
Frankl beschreibt den freien Willen als „Raum zwischen Reiz und Reaktion“, in dem man selbst entscheiden kann, wie man mit der Situation umgeht. Er betont den Fokus auf den „Sinn des Lebens“, der es einem ermöglicht, eine „gesunde Haltung“ zu seinem Leben einzunehmen.

Seine Leidenschaft für die Berge hat ihm den Sinn gegeben, sich selbst von der Höhenangst zu heilen. Die Diagnose oder das Trauma stellt also kein „Urteil“ dar, mit dem man sich abzufinden habe, und das alles bestimmen würde, was weiterhin passiert.

Nach Frankl kann man also auch im Leiden einen Sinn suchen und erhält damit eine bessere Möglichkeit zu gesunden, zu heilen. Wir können uns also auch mit einer gewissen Neugierde ansehen, was das Gute im Schlechten ist? Was sind meine Möglichkeiten in dieser Situation?

Wenn man jedoch selbst so im eigenen Problem drin steckt, sieht man oft die Möglichkeiten nicht, die von außen doch wahrnehmbar sind. Das ist ja einer der großen Vorteile vom Coaching oder Sparringspartnerschaften, dass man sich bei der Selbstreflexion und den eigenen blinden Flecken durch die Sicht von außen zu neuen Möglichkeiten inspirieren lassen kann.

Bevor man also überhaupt Entscheidungen treffen kann, muss man die Möglichkeiten erkennen, für oder gegen die man sich entscheiden könnte. Oft hat man noch dazu Angst davor, zu wenig zu wissen, um eine gute Entscheidung treffen zu können.

Manche Menschen habe ein stärkeres Bedürfnis, mit ihren Entscheidungen die Zukunft kontrollieren zu können, und sie haben Angst vor den Konsequenzen, eine Fehlentscheidung zu treffen. Es ist grundsätzlich eine Haltungsfrage – eine Entscheidung, wie man an eine Entscheidung heran geht.

Findet man nicht in Google Maps: die Entscheidungslandkarte

Eine Entscheidungslandkarte über die wichtigen Entscheidungen des eigenen Lebens anzulegen, kann sehr hilfreich sein. Im Rückblick erscheinen uns die eigenen Entscheidungen dann oft als eher gut. Man hat den Eindruck – egal was es ist – es hat doch etwas Positives gebracht.

Aus psychologischer Sicht ist es gut erklärbar, dass Menschen im Rückblick die Dinge besser bewerten. Wer kennt sie nicht, die Erzählungen über die positiven Erlebnisse aus der Schulzeit? Es scheint so, dass die negativen Gefühle, die man so mitten in seiner Schullaufbahn erlebt hat, gar nicht mehr so wichtig sind. Im Rückblick war es mehrheitlich gut.

Ergebnisse aus der Altersforschung legen nahe, dass Menschen am Ende ihres Lebens es am meisten bereuen, etwas nicht entschieden zu haben.

Es spricht also vieles für das eigene Entscheiden! Oft meint man jedoch, gar keine Möglichkeiten zu haben. Da muss man manchmal wirklich klein anfangen. Zum Beispiel hilft es schon sehr, die kleinen Möglichkeiten im Alltag achtsam zu entdecken. Wo ist der Moment, wo ich mich frei entscheiden kann? Welches Müsli mag ich heute essen? Wie gehe ich heute an eine Aufgabe heran? Sei‘ doch mal neugierig, wo und was du heute anders sehen kannst!

Unser Leben ist die Summe von vielen kleinen Entscheidungen.

Je nach Statistik trifft der Mensch täglich zwischen 30.000 und 100.000 Entscheidungen, die meisten davon völlig automatisch und unbewusst. Bewusstes Entscheiden ist mental aufwendig, es kostet viel Energie. diese automatischen Entscheidungen sind dahingehend recht „billig“. Es spart Energie, wenn man sich nicht täglich wieder entscheiden muss, ob man sich heute wieder die Zähne putzt oder nicht.

Gute Rituale für ein gutes Leben.
Der Alltag wird jedenfalls leichter, wenn man mehr und mehr gute Gewohnheiten in sein Leben bringt. Dann kann man es sich mit dem eigenen Autopiloten richtig gut gehen lassen.

Nur mit dem Herzen siehst du gut.

Aus der Hirnforschung wissen wir, dass entscheiden ohne emotionale Beteiligung nicht funktioniert. Elliot, ein Patient, der nach einem Gehirntumor nicht mehr fühlen konnte, konnte keinerlei Entscheidungen mehr treffen. Gefühle sind als innere Referenz wichtig für Entscheidungen.

Zitat Minouche Shafik: in the future it is about the heart.

Was macht die menschliche Entscheidung aus?

Bei all der technischen Entwicklung von künstlicher Intelligenz fragt man sich oft nach dem USP – dem Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Früher ging es um die Muskelkraft, dann kam die Dominanz des Verstandes, und nun geht es vielleicht mehr und mehr um Gefühle und Emotionen – das Herz macht den Unterschied.

Ganz im Sinne von Viktor Frankl schließen wir unseren heutigen Talk mit der Empfehlung: „Wähle jene Einstellung zu den Dingen, die gut für dich ist!“

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Fotocredits: Viktor Frankl Zentrum Wien, rawpixels.com

EspressoTalk


Mit meinen beiden lieben Kolleginnen Doris Maybach und Heidi Hauer öffnen wir gemeinsam jeden zweiten Mittwoch Morgen um 8.00 h unseren Espresso Talk und gestalten 30 bis 40 Minuten voller Inspirationen und Impulsen für den Tag.

Wir widmen uns wöchentlich einem anderen interessanten Thema, lassen Ergebnisse aus der Forschung, unsere Erfahrung als Coaches und unsere ganz persönlichen Lebenserfahrungen einfließen – kurz und knackig.

Gutes Leben und Arbeiten ist der neue Clubhouse-Club von Doris Maybach, Heidi Hauer und Sabina Haas. Wir widmen uns der Frage, wie geht das gute Leben? Was braucht es, um es bewusst zu gestalten? Es geht um Themen rund um Lebensstil, Life Balance, Lebensfreude, Herausforderungen und Sinn. Um wöchentlich mit dabei zu sein, folge uns bitte auf Clubhouse.