Einfach mal faul sein. Darf man das?

Sabina Haas

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02.05.2021

Nachlese zu unserem Espresso Talk #10 vom 28. April 2021Doris MaybachHeidi Hauer und Sabina Haas starten in den Tag mit dem Motto von Pippi Langstrumpf. „Faul sein ist wunderschön, denn die Arbeit hat noch Zeit. Wenn die Sonne scheint und die Blumen blühen, ist die Welt so schön und weit.“

Reden wir mal über’s Faulsein.

Ohne Fleiß kein Preis. Faul sein hat einen schlechten Ruf. Laut Wikipedia kann es als Trägheit verstanden werden und sollte tunlichst ausgemerzt werden. Faulen Menschen würde etwas „schlimmes passieren“, möglicherweise „wird nichts aus ihnen werden!“ Wir sind als Gesellschaft sehr geprägt vom Leistungsdenken und da steht faul sein wohl als absolutes Gegenprogramm dagegen. lazy dog Ein interessante Fragestellung ist es, seine eigenen Strategien zu überprüfen, wozu faul sein oftmals dient. Wir sind faul auf der Couch, um ein Buch zu lesen, um über etwas Bestimmtes nachzudenken, um endlich mal verschiedene Telefonate zu erledigen oder um sich zu entspannen. Das faul sein wird benutzt, um etwas zu erledigen! Absichtslosigkeit als Intension. Dem gegenüber steht das Konzept der Absichtslosigkeit. Wenn man diesen Unterschied einmal wahrnimmt, kann eine besondere Qualität vom faul sein zutage kommen. Es entsteht ein Raum von „einfach nichts“ – In diesem Sinne „gebe oder schenke ich mir diese Zeit; ich bin reich an Zeit!“ Ins Coaching kommen oft Menschen, die für sich selbst empfinden, notorisch keine Zeit zu haben. Eine Möglichkeit ist es, genau zu analysieren, was sie eigentlich so den ganzen Tag machen und dann richtige „Zeit-Inseln“ in ihrem Kalender zu schaffen. Sich selbst Zeit zu schenken, kann ein richtiger Game Changer werden. Die Person erkennt: es geht sich alles aus. Es ist völlig egal was, aber es entsteht etwas, es öffnet einen Raum. Aus der Gehirnforschung wissen wir, dass sich das Gehirn in solchen Erholungsphasen richtig regeneriert. Es werden neue Verknüpfungen im Gehirn geschaffen und dadurch entstehen neue Möglichkeiten. In früheren Zeiten, bevor wir ständig auf unser Handy gestarrt haben, gab es viel mehr Pausen im Alltag. In der U-Bahn, an der Bushaltestelle, … man konnte oft nichts anderes machen, als dem Gehirn eine Pause zu geben, oder auch vielleicht ein belangloses Gespräch zu führen. Heute ist unser „Monkey Mind“ ständig beschäftigt und die Qualität solcher Pausen fehlt im Leben. Es ist auch für den Selbstwert gut, sich zu erlauben: „Mir geht es gut, ich brauche nichts zu tun!“ Und gerade dann, wenn man solche absichtslosen Phasen aushalten kann, dann entsteht oft etwas unerwartet Gutes. Oder man empfindet plötzlich wieder die Energie oder die Motivation, etwas lange Aufgeschobenes in Angriff zu nehmen. Was ist unsere große Angst vor dem Nichts? Absichtslosigkeit entsteht dadurch, dass es keine Intension gibt, und man nicht ständig irgendwelchen Zielen nachhechelt. Es entsteht viel Unglück in der Welt, weil die Leute nicht still sitzen können. Es gäbe viel mehr Freude und viel weniger Konflikte. Faul sein will gelernt sein. Auch mittels kleiner Instant-Momente der Entspannung entstehen Micro-Habits, die der Erholung dienen. Aus Studien mit Versuchspersonen wissen wir aber, dass es vielen Menschen gar nicht leicht fällt, nichts zu tun. In einem Experiment wurde nachgewiesen, dass es unter Umständen leichter fällt, sich selbst Schmerz zuzufügen, als eine Zeit lang das „Nichts“ auszuhalten. Die Philosophie des faul seins. Jiddu Krishnamurti meinte: „Es gibt so viele Arten zu entspannen, wie es Menschen gibt!“ Im Taoismus lernt man, keinen Sinn und Zweck zu verfolgen. Man lernt, den menschlichen Grundimpuls wahrzunehmen, wo es einen Menschen grundsätzlich hinzieht. Es darf sein! Es braucht das faul sein als Intension, damit es überhaupt stattfindet. Wenn es gelingt, vom „Überlebensmodus des ständigen Tun“ in das Erleben zu kommen, genau dann ergibt sich die Chance, das als „Belohnung für das Nicht-Fleißig-sein“ zu erkennen. Schon Kinder nennen „einfach Ruhe haben“ als Wert, den sie sich besonders wünschen. Manchen Familien gelingt es, die besondere Qualität von „Faultagen“ zu genießen. Tage an denen nichts geplant ist, nichts sein muss, einfach Raum für „Nichts“ ist, wo Ruhe und Stille ist, wo etwas entstehen kann, Raum für etwas neues, für Erholung und für Kreativität. Der Sinn des faul seins. In der Verhaltenspsychologie findet man viele Strategien, wie man faul sein überwinden kann. Jedoch aus der Sicht, dass jedes Verhalten einen Sinn hat – bewusst oder unbewusst – kann man auch gute Gründe für das faul sein finden: man schont die Kräfte, es könnte auch ein Symptom für Depressionen und medizinische Problem sein. Wenn reale Ziele fehlen oder man Angst hat, dass man etwas tut und an der Realität scheitern könnte, dann macht es einfach Sinn, nichts zu tun. Manchmal schaut es nach Faulheit aus, ist aber eine Form von „Aufschieberitis“. Dabei hat man eigentlich den Willen, etwas zu tun, aber die Motivation ist zu gering. Den Kindern ist manchmal fad.  Auch sie dürfen dabei lernen, wie sie richtig chillen können und Langeweile einfach aushalten können. Als Eltern kann man die eigene innere Haltung überprüfen, ob man diese Entspannung bei den Kindern fördern möchte oder sofort Angebote gegen die Langeweile machen muss. In unserer Leistungsgesellschaft ist Stress zu haben, immer noch cool und wird als Erfolgsstrategie gefeiert. Was für eine Freiheit, sich einfach den Mittagsschlaf zu gönnen und man nicht ständig eine Stress-Schicht über alles drüber stülpen muss. Ich bin die Priorität Nummer 1! Mit der inneren Haltung, sich selbst wichtig zu nehmen, gelingt es besser, mehr zu sein, und weniger zu tun. Es ist ja oftmals viel einfacher, sich mit dem Tun auseinander zu setzen, als einfach zu Sein. Jedenfalls hängen diese beiden Qualitäten eng zusammen: mit der Qualität von Sein erhalten wir die Energie zum Tun. Wir haben heute mit einem Liedtext von Pippi Langstrumpf gestartet und enden mit einem Zitat von diesem wunderbar klugen Kind: „Und dann muss man ja auch noch die Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen!“   #Clubhouse #faulsein #PippiLangstrumpf #lazyness  

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Espresso TalkMit meinen beiden lieben Kolleginnen Doris Maybach und Heidi Hauer öffnen wir gemeinsam jeden Mittwoch Morgen um 8.00 h unseren Espresso Talk und gestalten 30 bis 40 Minuten voller Inspirationen und Impulsen für den Tag. Wir widmen uns wöchentlich einem anderen interessanten Thema, lassen Ergebnisse aus der Forschung, unsere Erfahrung als Coaches und unsere ganz persönlichen Erfahrungen einfließen – kurz und knackig. Gutes Leben und Arbeiten ist der neue Clubhouse-Club von Doris Maybach, Heidi Hauer und Sabina Haas. Wir widmen uns der Frage, wie geht das gute Leben? Was braucht es, um es bewusst zu gestalten? Es geht um Themen rund um Lebensstil, Life Balance, Lebensfreude, Herausforderungen und Sinn. Um wöchentlich mit dabei zu sein, folge uns bitte auf Clubhouse. (Leider nur für iPhone möglich)   Fotos: rawpixels.com, unsplash.com