Wie gelingt ein entspannter Start in den Urlaub und worauf kommt es an, wenn wir wieder im Alltag einchecken? Das Magazin WOMAN hat mich als Karriereexpertin für die Ausgabe 07/2025 befragt. Meine besten Tipps, wie man im Urlaub richtige Erholung findet, hier nochmals zum Nachlesen.
Warum fällt es vielen so schwer, im Urlaub wirklich abzuschalten – und was hat das mit unserer Arbeitskultur zu tun?
Wirkliches „Nichts-Tun“ ist in unserer Kultur nicht sehr populär. Wir lernen es normalerweise nicht, dass es „erlaubt“ ist, einfach nichts zu tun und zu entspannen. Für viele von uns ist es auch nicht einfach, sich das Nichtstun selbst zu erlauben. Wir verbringen sehr dichte Arbeitstage mit Multitasking, und auch die Freizeit ist bei vielen Menschen sehr ausgefüllt. Auch wenn man z.B. die Freizeit mit dem passiven Konsumieren von Medien bzw. social Media verbringt (Insta, Tiktok, Netflix, Fernsehen, News, Musik, etc.), ist man doch auch damit ständig vielen Reizen ausgesetzt. Durch diese ständige Reizüberflutung ist unser „Monkey Mind“ rastlos und süchtig nach ständigen weiteren Reizen.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das ständige Nachdenken und sich sorgen, eine überproportionale Beschäftigung mit Inhalten aus der Arbeit, etc. das stellt das Gewohnte dar. Viele Menschen sind sehr hoch identifiziert mit ihrer Arbeit. Wenn man sich außerhalb seiner Gewohnheiten bewegt, bedeutet das, die eigene Komfortzone zu verlassen. Das ist mental aufwändig und verursacht manchmal Unbehagen. All das führt zu diesen Schwierigkeiten, im Urlaub leicht abschalten zu können.
Welche konkreten Rituale oder Strategien empfehlen Sie, um mental aus dem Arbeitsmodus in den Urlaubsmodus zu wechseln?
Der Urlaub beginnt im Kopf und nicht nur im Kalender. Hilfreich ist es, wenn man einen ganz bewussten Punkt setzt, der den Arbeitsmodus beendet. oder eine konkrete Aufgabe, nach der dann Schluss ist und der Urlaub beginnt. Z.B. übergibt man seine Tasks an eine Stellvertreter:in.
Ein Ankommens-Ritual kann auch sehr erfrischend sein: rein in die Flipflops und 5 tiefe Atemzüge: Sagen sie sich selbst: „mein Urlaub beginnt jetzt! Und nehmen Sie sich ganz bewusst vor, dass im Urlaub Erholung und Entspannung die wichtigste Priorität haben.
Worauf kommt es beim Formulieren von Abwesenheitsnotizen an?
Die Abwesenheitsnotiz kann man auch mal witzig und mit der vollen Vorfreude auf den Urlaub gestalten: „Bis zum <Datum> genieße ich das Meeresrauschen auf einer Strandliege in Griechenland. Ich empfange in dieser Zeit keine Nachrichten. Wenden Sie sich bitte an meine Vertretung.“
Wie sinnvoll ist ein „digitaler Detox“ im Urlaub – und wie konsequent sollte man ihn durchziehen?
Es gibt ein paar Tricks, wie man digital Detox nicht nur überleben kann, sondern richtig genießen lernt. Man kann wichtigen Leuten, mit denen man sonst in Kontakt ist, Bescheid geben und dann ganz bewusst das WLAN ausschalten und das Handy wegpacken. Die Social Media Apps verkraften das ganz sicher, wenn man mal keine Stories von sich postet. Aber man selbst muss sich darauf gefasst machen, dass der Entzug von Dopamin einen ganz schön fordern wird. Ersatzquellen können sein: Sonnenstrahlen und Meeresrauschen statt Likes und Weiterscrollen. In Wirklichkeit ist digital Detox kein Verzicht, sondern ein Geschenk an sich selbst.
Arbeitsmails im Urlaub checken, Anrufe aus der Firma entgegennehmen – was ist okay, was sollte man besser vermeiden?
Es ist zu empfehlen, ganz bewusst die Entscheidung zu treffen, im Urlaub keine Arbeitsmails zu lesen. Falls es unbedingt notwendig wäre, in der Arbeit ein Notfallszenario zu planen, sollten ganz konkrete Anlassfälle definiert werden, für die man erreichbar wäre. Das sollte aber wirklich nur im Notfall passieren.
Was hilft gegen das schlechte Gewissen, wenn man im Urlaub wirklich nichts Produktives tut (was ja auch vollkommen okay ist!)?
„Absolut nichts zu tun“ kann man auch als wichtige Fähigkeit mit einer wesentlichen Funktion sehen. Kreativität und Innovation entstehen immer nur dort, wo Leere und Nichts ist. Freiraum und Leere sind die Voraussetzung, damit neues entstehen kann.
Wir leben in einer wirklich ungesunden Überbetonung von Leistungsdenken und der Illusion, dass nur die Produktivität uns eine Existenzberechtigung bietet. Nichtstun im Urlaub und in der Freizeit fördert die Gesundheit und die Kreativität.
Welche Rolle spielt Vorbereitung – also z. B. To-do-Listen oder Übergaben – beim gelungenen Start in die Auszeit?
Die meisten Menschen fühlen sich verantwortlich für ihre Arbeit. Deshalb fühlen sie sich wohler, wenn der Urlaub geordnet beginnt. Die Übergabe der Aufgaben bedeutet das Übergeben der Verantwortung und das ermöglicht einen entspannteren Start in den Urlaub.
Was raten Sie Menschen, die in den ersten Urlaubstagen ständig ans Büro denken oder sich zur Arbeit hingezogen fühlen?
Wenn man bei sich schon solche „Workaholic-Tendenzen“ wahrnimmt und nicht mehr abschalten kann, sollte man sich wirklich etwas überlegen. Mit einfachen Entspannungsübungen kann man sich meistens selbst nicht therapieren. Da sollte man sich eher professionelle Hilfe bei einem Coach suchen. Dadurch kann man die Gründe für dieses Verhalten und die eigenen blinden Flecken besser reflektieren und wird professionell angeleitet, andere Strategien anwenden zu können.
Eine andere Möglichkeit könnte sein, in eine total andere oder exotische Umgebung zu reisen, sodass man sofort in einer ganz anderen Welt ist. Oder man befasst sich mit einer herausfordernden körperlichen Tätigkeit. Wenn man in dieser Situation sehr gefordert ist, kann das die gewohnten Gedanken schon sehr rasch unterbrechen.
Kann man lernen, Freizeit genauso „ernst zu nehmen“ wie Arbeitszeit? Wenn ja: Wie?
Egal ob man das „Work-Life-Balance“ oder irgendwie anders nennt – wir wissen heute, dass ein langfristig gesunder Lebensstil nur dann möglich ist, wenn eine ganzheitliche Balance von allen Lebensbereichen – beruflich, privat und persönlich – gegeben ist. In diesem Sinne sollte man darauf achten, dass auch die Freizeit Sinn macht. Wir wissen heute aus Langzeitstudien, dass erfolgreiche, glückliche und gesunde Menschen ein aktives Sozialleben und gute persönliche Beziehungen haben.
Was hat einen größeren Erholungseffekt: Kurze Urlaube oder längere? Warum?
Bei den meisten Menschen stellt sich erst nach 3-4 Tagen ein Erholungseffekt ein. Dann sinkt der Cortisolspiegel und Stress wird abgebaut. 10-14 Tage sind eine ideale Urlaubsdauer. Es gibt Studien die belegen, dass der Erholungswert nach 3 Wochen nicht mehr wesentlich zunimmt. Es stellt sich also auch hier eine Gewöhnung an die Erholung ein, und durch diesen Gewöhnungseffekt steigt der Dopaminspiegel nicht mehr an.
Neurolog:innen sagen, dass unser Gehirn 48 Stunden braucht, um in den Urlaubsmodus zu schalten – warum ist das so?
Das hat wiederum etwas mit den Gewohnheiten zu tun. Es braucht einige Tage Zeit, um die gewohnten Denkmuster zu durchbrechen. Dann erst sinkt der Cortisolspiegel und Stress wird abgebaut.
Wie lässt sich der Übergang zurück in den Arbeitsalltag möglichst stressfrei gestalten? Worauf kommt es an?
Es ist eine gute Idee, sich den Erholungswert des Urlaubs im Alltag noch zu verlängern. Mit mentalen Ankern wie Fotos, die man zum Beispiel als Hintergrundbild am PC hat, schöne Steine oder Muscheln die man im Urlaub gefunden hat und in einer Schale am Tisch dekoriert. Oder andere Souvenirs, mit denen man sich diese schönen, besonderen und erholsamen Momente in den Alltag hinein holt. Diese kurzen Momente des Innehaltens, achtsame Pausen und Rituale können sehr wertvolle Energietankstellen im Alltag sein. Je bewusster wir diese Pausen, das Leben im Moment, diesen Boxenstopp als Möglichkeiten im eigenen Alltag gestalten können, desto mehr Energie können wir daraus erhalten.
Meetings erst ab dem dritten Tag nach dem Wiedereinstieg – was halten Sie von dieser Empfehlung?
Ich denke, es ist sehr individuell, wie man den Wiedereinstieg nach dem Urlaub am besten gestalten kann. Ich halte es für wesentlich wichtiger, sich den Erholungswert im Alltag zu verlängern. Damit steigert sich auch langfristig die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit.
Was sollten Führungskräfte tun, um Urlaubskultur im Team zu fördern – jenseits von Erreichbarkeitsgrenzen?
Führungskräfte sind immer auch Vorbilder und sollten demnach selbst ein gesundes Verhältnis von Arbeit und Freizeit pflegen. Moderne Unternehmens- und Führungskulturen setzen hier sicher wichtige Maßstäbe, indem die Erholung als wertvolle Ressource zur Gesunderhaltung und Erhaltung von Leistungsfähigkeit erkannt wird.
Und zuletzt: Gibt es eine Erkenntnis aus der Arbeitspsychologie, die jede*r kennen sollte, bevor sie oder er in den Urlaub startet?
Die psychologische Erholungskompetenz wird immer wichtiger. Es zählt nicht nur die Dauer, sondern auch die Qualität der Erholung. Erholung ist ein aktiver Prozess. Menschen, die bewusst abschalten können (zum Beispiel durch Achtsamkeitsübungen, Sport oder soziale Aktivitäten) profitieren stärker von Freizeit und Urlaub.
Link zum online Magazin Woman https://www.woman.at/karriere/warum-der-urlaub-am-3-freien-tag-begin